Let's twist again ... und: warum ich (fast) keine Strick-Podcasts mag


Das bunte Teilchen, das ich zur Belohnung angeschlagen hatte, nach der Mühsal mit dem Leinenpulli, hat sich dann doch ziemlich hingezogen. Rückblickend kein Wunder, denn das Endprodukt - eher ein Schal als ein Tuch - erstreckt sich über stolze 2,80 Meter. Haupthinderungsgrund war aber natürlich, dass die Motivation, nur kraus rechts zu stricken, zwischendurch arg abhanden kam.



Nun war es ausgerechnet ein Video-Podcast, nämlich dieser hier, der mich so gut unterhielt, dass sich der Schal quasi schmerzlos und nebenbei erledigte. Dabei habe ich mit Strick-Podcasts eigentlich ein Problem. Und zwar eines, das a) mit meinem fortgeschrittenen Alter und b) mit meiner beruflichen Herkunft zu tun hat.

Ich entstamme nun mal einer Generation, die mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk aufwuchs. Selbst wenn man deren Inhalte mal beiseite lässt. heißt das zumindest eines: Ich erwarte von "Sendungen" aller Art einen vernünftigen Aufbau und eine redaktionelle Selektion und Aufbereitung. Dazu gehören unter anderem technische Selbstverständlichkeiten wie Schnitt und Kameraführung. Und die Auswahl geeigneter Gesprächspartner, die kundig und nicht zu ausschweifend über ihr Fachgebiet sprechen sollten.

Aufgrund dieser Vorgaben wundert es nun wahrscheinlich niemand, dass ich bereits mit gewissen Auswüchsen des Privatfernsehens meine Probleme habe. Daily Talks (zum Glück hierzulande ausgestorben) und Reality-TV in allen Variationen sind mir ein Gräuel. Als die erste Staffel von 'Big Brother' über die Bildschirme flimmerte, dachte ich nur: Sperrt Walter Jens, Marcel Reich-Ranicki und Helmut Schmidt für ein paar Wochen in einen Container und ich bin dabei! Aber warum, um alles in der Welt, sollte ich meine Zeit damit verschwenden, einem Haufen Dumpfbacken zuzuhören, deren Grundwortschatz 500 Wörter nicht überschreitet und die von Shakespeare noch nicht einmal gehört haben?

Um kurz wieder auf die Strick-Podcasts zurückzukommen: Ich habe bisher nur zwei gefunden, die diese meine elitären Anforderungen erfüllen. Zum einen 'Kammebornia' aus Schweden (mit englischen Untertiteln), der mit wunderschönen Bildern besticht und eine ganz eigene Stimmung verbreitet. Und zum anderen 'Fruity Knitting', bei dem tatsächlich so etwas wie ein redaktionelles Konzept realisiert wird und die Protagonisten sich vorher hinreichend Gedanken darüber gemacht haben, wie sie ihre Botschaft auf den Punkt bringen.

Als jemand, der einen beträchtlichen Teil seiner Lebenszeit damit zugebracht hat, überwiegend mittelmäßigen Referaten zu lauschen, stöhnt nämlich bei einem Großteil der Strick-Podcasts meine innere Stimme bereits nach zwei Minuten gequält: "Komm endlich zum Punkt!" Mich interessiert nicht, was die Katze zum Frühstück hatte, oder alle 23 Schritte des inneren Gedankengangs, die zur Auswahl eines bestimmten Musters führten, oder welche immensen technischen Hürden zu bewältigen waren, bis das Tablet endlich aufnahmebereit war.

Nun sind wir ja, dank neuerer technischer Errungenschaften, so weit, dass  Andy Warhols bekannte Prognose ("In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes") zumindest theoretisch realisierbar ist, weil jeder mit einem Smartphone sein eigener Sender sein kann. Was aber nicht heißt, dass jeder das unbedingt anstreben sollte ...

Im Lichte der neuen Kommunikationsmöglichleiten bin ich durchaus bereit, Abstriche zu machen, was die oben beschriebene technische Professionalität anbelangt. All das rückt nämlich in den Hintergrund, wenn jemand mir unterhaltsam, mit einer gewissen Eloquenz und einer guten Portion Humor etwas erzählt. Leuten wie Alan Alda, Hugh Laurie, Stephen Fry oder meinethalben auch Thomas Gottschalk kann ich stundenlang zuhören.

Womit ich wieder bei Marco und seinem Podcast 'Strickmirwas' wäre. Nicht dass der jetzt in einem Atemzug mit den geraden Genannten genannt werden sollte. Aber die Grundbedingungen (unterhaltsam, witzig, seiner Muttersprache mächtig) stimmen. Marko ist Strick- und Häkelanfänger und erzählt mit einer gehörigen Portion Selbstironie von seinen Handarbeitsabenteuern und den dazugehörigen Irrwegen. Und von allem möglichen Anderem, was ihm gerade in den Sinn kommt.Was mir außerdem gefällt: Seine Herangehensweise erinnert mich an meine eigenen Strickanfänge: Ich sehe etwas, das mir gefällt, und das will ich machen! Irgendwie kriege ich das schon hin! (Hat ihm wohl keiner gesagt, das 'Sophie's Universe' und Stephen Wests 'Colour Craving' nicht unbedingt das sind, was man Anfängern zum Einstieg empfehlen würde ...) Und er kriegt das auch hin! Ganz anders als viele der jüngeren Strickmädels, die sich an keine neue Technik wagen, ohne vorher eine wissenschaftliche Expedition zu starten. ("Lace? kann ich nicht. Da muss ich erst einmal einen Crafty-Kurs absolvieren." - NEIN! Musst Du nicht! Du machst Umschläge und Abnahmen in der im Muster angegebenen Reihenfolge und damit hat sich's ...)

So, nach dieser Abschweifung, die mindestens so lang ist wie der Schal, um den es hier eigentlich gehen sollte, noch ein paar Worte zum eigentlichen Hauptdarsteller.

Das Garn: War in jeder Sekunde ein ungetrübtes Strickvergnügen! Himmlisch weich, und dadurch dass die Farben alle zwei Maschen wechseln fügen sie sich auf magische Weise harmonisch ineinander.


Aus der Musteridee hingegen wird keine Anleitung. Zum einen, weil mir jemand gesagt hat, dass es von Martina Behm schon so etwas Ähnliches gibt. Ich will mir ja keinen Plagiatsvorwurf einhandeln!
Zum anderen ist die Umsetzung in dieser Form aber auch nicht hunderprozentig gelungen. Problem Nr.1: Die Grundkonstruktion. Ich habe begonnen wie bei einem asymmetrischen Dreieck (eine Zunahme in jeder Hinreihe am oberen Rand), um dann am unteren Ende durch Abnahmen eine langgezogene halbrunde Form zu erzielen.



So weit so gut. Leider hatte ich nicht bedacht, dass sich durch die schräge Strickrichtung, die sich aus den Zunahmen ergibt, die Löcher am unteren Ende arg weit auseinander ziehen, sobald die Kante ihre Richtung ändert:


Außerdem gefällt mir nach dem Waschen das Verhältnis von Lochgröße (die sind gewachsen) und Twists nicht mehr. Der verdrehte Rand müsste rund drei Maschen breiter sein, damit es passt.
All das wird mich allerdings nicht daran hindern, mich genüsslich in das Teil einzuwickeln, wenn die (Herbst-)Zeit gekommen ist.


P.S.: Falls noch jemand Podcasts kennt, die Gnade vor meinen unbarmherzigen Augen (und Ohren) finden könnten, erzählt mir doch davon.

Maße: 280 x 40 cm

Materialien:

  • 175 g Ferner Lace (100% Wolle superwash), LL 500 m / 100 g, Farbe 26

Nadelstärke 3,75 mm

Kommentare

  1. Liebe Ute, ich bewundere Deine Schals ♡♡♡ Deine Designs sind einfach wunderschön!
    Auch ich habe bei den Wunderwellen zugeschlagen, passenden Strickgarn gekauft und werde demnächst meinen Reiseprojekt starten.
    Dein neustes Schal/Tuch finde ich sehr gelungen, frische Farben, lockeres Design und die Traumlänge!
    LG Nora

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    1. Vielen Dank, liebe Nora. Ich hoffe, Du wirst mit den Wunderwellen viel Freude haben. Als Reiseprojekt sind sie wirklich gut geeignet, das sich das Muster alle 13 Reihen wiederholt - da muss man nicht allzu viel zählen.
      Liebe Grüße,
      Ute

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  2. 2,80m das ist ja der Wahnsinn.
    Wunderschön ist das Tuch geworden, ich mags gerne bunt :)

    Lieben Gruß
    Sarah

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    1. Hallo Sarah,
      vielen Dank; das Farbspektakel hat mir auch ständig während des Strickens gute Laune gemacht!

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  3. Auch ich finde im Fernsehprogramm kaum etwas, was mich interessiert und bei einigen Sachen bekomme ich echt das Kot....! Daher Stricke ich immer beim Fernsehen, denn als Hörspiel lässt sich vieles besser ertragen!
    Die Wolle deines Schals gefällt mir sehr gut und die Kante mit den Riesenlöchern ist mal etwas besonders!
    LG Monika

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    1. Oh ja!! Ich kann Ute und Monika nur zustimmen. Fernseheprogramme als Hörspiel + Strickprojekte sind unübertroffen. Nur mein Mann wundert sich und findet es blöd bei Beleuchtung fernsehen zu müssen.

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